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08. März 2019

Konjunkturausblick 2019: Vorsichtsprinzip dominiert

Konjunkturausblick 2019: Vorsichtsprinzip dominiert

Politik ist gefordert: “Kein Roulette mit dem Industriestandort Deutschland spielen.“

Konjunkturausblick 2019: Vorsichtsprinzip dominiert

„Die niedersächsische Industrie ist in großen Teilen von der Überholspur auf die Kriechspur gewechselt. Die aktuelle Umfrage zeigt, dass die Psychologie in zahlreichen Unternehmen angeknackst ist. Eine abwartende Haltung dominiert. Dabei überraschen Tempo und Ausmaß der Stimmungsverschlechterung binnen weniger Monate“, fasst Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer der Gemeinschaft der Arbeitgeberverbände im Haus der Industrie in Hannover, die Ergebnisse einer Umfrage unter rund 900 Mitgliedsunternehmen zusammen.

 „Die Prognosen für die kommenden Quartale wurden zuletzt von Monat zu Monat nach unten revidiert. Dies gilt für den Maschinenbau, für große Teile der Elektroindustrie, die Automobilindustrie und ihre Zulieferer bis hin zum Bereich der industrienahen Dienstleistungen“ So sei unter anderem die Zahl der Unternehmen, die 2019 rückläufige Auftragseingänge erwarten, in den letzten drei Monaten sehr deutlich von 27 auf 40 Prozent gestiegen.

Unsicherheit im Automobilsektor birgt Ansteckungsgefahr für gesamte Industrie

Was Niedersachsen besonders zu setze sei die große Abhängigkeit vom Automobilsektor: „Wir verzeichneten zuletzt eine extreme Verunsicherung in der stark mittelständisch geprägten niedersächsischen Zuliefererindustrie im Hinblick auf die Fortexistenz bisheriger Geschäftsmodelle. Das führt zu extremer Zurückhaltung und wachsendem Pessimismus.“ Das habe unmittelbar Auswirkungen auf die Investitionsbereitschaft und vor allem auf die Investitionsmotive. Die Zahl der Unternehmen, die in 2019 weniger investieren wollen als im Vorjahr, ist laut Umfrage innerhalb von drei Monaten signifikant von 21 auf 25 Prozent gestiegen.

Mit Blick auf den Maschinenbau und auch in der Elektroindustrie sehen, laut Schmidt, die Perspektiven vergleichsweise besser aus. Hier können zahlreiche Unternehmen im ersten Halbjahr 2019 noch insgesamt auf ein gutes bis befriedigendes Auftragspolster blicken, aber: „Wir verzeichnen Zurückhaltung bei Investitionen, wir verzeichnen Zurückhaltung bei Einstellungen - das Vorsichtsprinzip dominiert.“

Ursächlich hierfür sei vor allem die Automobilindustrie: „Über 80 Prozent der Betriebe sehen derzeit keinen Anlass, die Produktionskapazitäten aufzustocken. Das wirkt auf den Investitionsgütersektor insgesamt zurück, insbesondere auf den Maschinenbau. Insoweit geht von den Turbulenzen im Automobilsektor in Niedersachsen derzeit eine hohe Ansteckungsgefahr für die Industrie insgesamt aus.“

Gebremste Einstellungsbereitschaft der Großen trotz Fachkräftemangel

Laut Umfrage wollen darüber hinaus in der Metall- und Elektroindustrie in Niedersachsen aktuell 21 Prozent der Unternehmen (gegenüber noch 24 Prozent im November 2018) zusätzliche Arbeitskräfte einstellen, 26 Prozent (im November noch 20 Prozent) wollen dagegen den Beschäftigungsstand reduzieren.

Schmidt dazu: „Natürlich kristallisiert sich der Fachkräftemangel mittlerweile als eine echte Wachstumsbremse heraus. Bemerkenswert ist aber auch, dass die Einstellungsbereitschaft insbesondere bei den großen Unternehmen trotz des Mangels zuletzt deutlich nachgelassen hat. Erstmals seit fünf Jahren beabsichtigen viele Unternehmen, freiwerdende Arbeitsplätze nicht sofort wieder zu besetzen.“ Das habe unter anderem damit zu tun, dass in den vergangenen Jahren im Zuge des Fachkräftemangels verstärkt auch über Bedarf eingestellt wurde. „Die Erwartung von stagnierenden oder rückläufigen Produktionsziffern führt unter diesen Umständen zu steigenden Lohnstückkosten. Sucht man eine Erklärung für die wachsende Skepsis zahlreicher unserer Unternehmen im Hinblick auf die weitere Entwicklung, stößt man bei Rückfragen vielfach auf die Antwort, dass der Mangel an Fachkräften kein weiteres Wachstum mehr zulasse. So könnte aus der Kombination von Fachkräftemangel und den sich eintrübenden Erwartungen eine selbsterfüllende Prophezeiung werden.“

Zugleich klagen 25 Prozent der kleineren, mittelständischen M+E-Betriebe weiter über Produktionsengpässe aufgrund fehlender Fachkräfte. Es fehlten vielen Betrieben die Fachleute, um 4.0-Prozesse im Unternehmen sachkundig zu beurteilen, zu implementieren und anzuwenden: „Im gesamten 4.0-System haben wir einen immensen Fachkräfteengpass bei Informatikern, Wirtschaftsingenieuren und Softwareentwicklern.“ Das sei eine Erklärung dafür, dass dreiviertel der Befragten Industriebetriebe beim digitalen Reifegrad nach eigener Einschätzung deutlich hinterher hinkten.

Erschreckendes Maß an politischer Führungslosigkeit in Deutschland

Geradezu besorgniserregend sei der Umstand, dass mittlerweile über 90 Prozent der befragten Unternehmen eine Führungslosigkeit der politisch Verantwortlichen in der Bunderepublik Deutschland beklagen: „Was wir als Industrie insgesamt kritisieren, ist ein erschreckendes Maß an politischer Führungslosigkeit in der viertgrößten Industrienation. Es macht sich vor allem am politischen Umgang mit der Automobilindustrie fest, aber auch bei der Frage von Energiekosten und Versorgungssicherheit, die nach dem Kohlekompromiss von vielen ernsthaft in Frage gestellt wird.“

Schmidt abschließend: „Das Geschäftsmodell der deutschen Wirtschaft sind die industrielle Produktion und der industrielle Export, flankiert von industriellen Dienstleistungen, die immer wichtiger werden. Aber dieses Modell ist ernsthaft in Gefahr. Wir erwarten daher ein klares Bekenntnis der Politik zu den Wachstumsgrundlagen dieses Landes. Wir dürfen gerade jetzt kein Roulette mit dem Industriestandort Deutschland spielen.“

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