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01. August 2025

Statement: Zoll-Einigung mit den USA ist wirtschaftspolitisch akzeptabel

Zu den Auswirkungen der Einigung im Zollkonflikt zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union auf die niedersächsische Industrie erklärt der Hauptgeschäftsführer von Niedersachsenmetall und der Arbeitgeberverbände in Hannover, Dr. Volker Schmidt:

„Die Zoll-Einigung zwischen der EU und den USA entzieht sich einer rein ökonomischen Betrachtung, sie ist ohne die geopolitischen Veränderungen der jüngsten Zeit nicht hinreichend erklärbar. Vor diesem konkreten Hintergrund ist der Kompromiss wirtschaftspolitisch akzeptabel, weil prohibitive Zollsätze vom Tisch sind, er für aussenhandelsabhängige Unternehmen deutlich mehr Planungssicherheit bedeutet und, mindestens genauso wichtig, die Einigung dem politischen Verhältnis der Vereinigten Staaten zu Europa entscheidend mehr Stabilität gibt.

Wenn nach dem Kompromiss darüber Klage geführt wird, dass es jetzt eine erhebliche Ungleichbehandlung bei den Zöllen gebe, sei daran erinnert, dass es diese zuvor über viele Jahre bei zahlreichen bedeutsamen Warengruppen wie Kraftwagen, Maschinen- und Anlagen, optischen Geräten und pharmazeutischen Erzeugnissen bereits auch gegeben hat - allerdings zugunsten der EU und zu Lasten der Vereinigten Staaten. Der Hinweis sei erlaubt: Ganze Warengruppen aus den USA wurden über Jahre mit zum Teil exorbitant hohen Einfuhrzöllen von der EU belegt, ohne dass die damit einhergehenden Wettbewerbsverzerrungen seitens der EU zu irgendeinem Zeitpunkt zum Anlass für Korrekturen genommen wurden.

Was bedeutet der jetzt vorliegende Zollkompromiss, soweit bisher bekannt, konkret für die niedersächsische Industrie? 

Eine allgemeingültige Einschätzung der Auswirkungen der Zoll-Einigung auf die niedersächsische Industrie lässt sich nicht treffen. Dies hat maßgeblich damit zu tun, dass zahlreiche Unternehmen zum Beispiel im Maschinenbau hochgradig spezialisiert sind und ausgesprochene Marktnischen auf ausländischen Märkten bedienen, bei denen der Preis nicht den alles entscheidenden Parameter im Wettbewerb darstellt. Für Kraftfahrzeuge hingegen gilt dies hingegen nicht. Hier bedeuten 15 % auf Pkw-Importe eine Anhebung des Zolls um 12,5 %-Punkte gegenüber dem Status quo ante (2,5 %), die von den exportierenden Unternehmen sicher nicht vollständig in den Preisen an die Kunden weitergegeben werden können. Folglich geht dies zu Lasten der Margen. Gleichwohl, gegenüber dem zuletzt kurzzeitig erhobenen Zoll von 27,5% bedeuten 15% eine massive Erleichterung.

Wir erwarten keine Betriebsverlagerungen niedersächsischer Unternehmen in größerem Umfang in die USA als Konsequenz des Zoll-Kompromisses. Es gibt diesbezüglich auch keinerlei Hinweise aus den Unternehmen.

In den USA fehlen auch ausgebildete Fachkräfte

Ob es überhaupt zu den vom US-Präsidenten erhofften umfangreichen Direktinvestitionen europäischer Unternehmen in den USA kommt, ist nicht gesagt. Denn auch in den USA fehlen der Industrie vielfach ausgebildete Fachkräfte. Insoweit werden Importe auch nicht automatisch durch Industriegüter „Made in USA“ substituiert werden können, das heißt, die USA werden höchstwahrscheinlich auch in absehbarer Zukunft strukturell auf die Einfuhr von Investitionsgütern angewiesen sein.

Hinzu kommt, dass umgekehrt auch eine massive Belebung der US-Exporte in die EU infolge Wegfalls der Zölle nicht zwingend ist. Die Unternehmen in den USA sind vor allem auf den Inlandsmarkt fokussiert, weniger auf Auslandsmärkte. Das heißt, die USA verfügen aufgrund ihres großen Heimatmarktes, zu dem auch Kanada und Mexiko gehören, nur über eine relativ schwach ausgebildete Exportbasis. Vielfach fehlen im Ausland schlicht die notwendigen Vertriebsstrukturen. Diese strukturelle Schwäche ist nicht von heute auf morgen via Zollpolitik zu beheben, sie wird noch länger das Außenhandelsdefizit der Vereinigten Staaten prägen.

Der Margendruck bei den niedersächsischen Zulieferern wird zunehmen

Insgesamt steht daher zu erwarten, dass infolge der Zollpolitik der USA die davon ausgehenden Preiseffekte dominieren werden, das heißt, Einfuhren in die USA werden deutlich teurer, und dies wird die Inflation in den Vereinigten Staaten über längere Zeit nach oben pushen.

Für deutsche Unternehmen, insbesondere im für Niedersachsen überaus bedeutenden Automobilbereich, wird als Ergebnis der Zollpolitik der Margendruck weiter zunehmen, sofern die betroffenen Unternehmen über keine Produktionsstätten in den USA verfügen. Das bedeutet mit Blick auf die Autoindustrie, der massive Kostendruck, der aus dem nicht rentabel zu betreibenden Geschäft mit E-Autos in Deutschland und Europa entstanden ist, wird zusätzlich verschärft. Er dürfte über die gesamte Lieferkette zu weiteren Verlagerungen an Produktion und Wertschöpfung an kostengünstigere Standorte, vorzugsweise nach Südost-Europa, zwingen.

Einigung bremst Stabilisierung der niedersächsischen Industrie nicht aus

Aus Sicht der deutschen Autoindustrie ist andererseits positiv zu bewerten, dass die klare Absage der Trump-Administration an die Elektromobilität in den USA deutschen Autoherstellern auch künftig erhebliche Absatzchancen im margenstarken Geschäft mit modernen Verbrennerfahrzeugen auf dem weltweit zweitgrößten Automobilmarkt eröffnet, die helfen werden, das ergebnisschwache Geschäft mit E-Fahrzeugen in Europa und China aufzufangen.

Zusammengefasst gehen wir davon aus, dass die Lösung des Zollkonflikts die beobachtbare Stabilisierung der niedersächsischen Industrie nicht aushebeln wird. 2026 könnte unserer Einschätzung nach erstmals seit 2019 wieder ein spürbares Wachstum erreicht werden. Dies allerdings ist ganz wesentlich an die Voraussetzung geknüpft, dass die EU-Kommission Ende 2025 das Festhalten an der „Electric Only“-Strategie bei der Dekarbonisierung des Verkehrssektors aufgibt zugunsten technologieoffener Lösungen.“

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