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08. September 2021

Wer wird Regionspräsident?

Der Kandidaten-Check

Am 12. September wählt die Region Hannover ihren neuen Präsidenten.

Nach 15 Jahren an der Spitze räumt Hauke Jagau (SPD) seinen Posten als Regionspräsident von Hannover – am 12. September wird sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin gewählt. Beerbt ihn Parteikollege Steffen Krach? Geht das Amt an Christine Karasch und damit an die CDU? Oder zieht mit Frauke Patzke eine Grüne in das Regionshaus an der Hildesheimer Straße ein? Wir haben die drei Kandidaten auf Wahlkampftermine begleitet.

Der Standort­politiker: Steffen Krach

Es ist kurz nach zwölf Uhr, als sich Steffen Krach, Kandidat der SPD für die Regionspräsidentschaft, mit Vertretern des Ortsvereins Hannover-Mitte im Café Safran in der Calenberger Neustadt trifft. Die anderen bestellen Chili oder Pasta, Krach entscheidet sich für das kleine Frühstück. „Meine Familie und ich suchen derzeit eine Wohnung in Hannover. Bis dahin schlafe ich bei Verwandten oder Freunden, wenn ich hier bin. Da habe ich nicht immer Zeit zum Frühstücken“, erklärt er und lächelt. Es ist dieses gewinnende Lächeln, das ihn nahbar und sympathisch wirken lässt. Steffen Krach, 41 Jahre alt, hat seine gesamte Kindheit und Jugend in Hannover verbracht. Noch heute fühlt er sich in der List, wo seine Eltern leben, zu Hause.

Staatssekretär in Berlin

Mit 20 Jahren zog es ihn aber fort aus der Landeshauptstadt. Zuerst zum Zivildienst nach Hameln, danach zum Studium nach Göttingen und später nach Berlin. Dort arbei­tete der Politologe unter anderem für die Landesvertretung Rheinland-Pfalz und in der Senatsverwaltung. Von 2012 bis 2014 leitete er die Bund-Länder-Koordinierungsstelle bei der SPD-Bundestagsfraktion, bevor er im Land Berlin zum Staatssekretär für Wissenschaft und später auch für Forschung berufen wurde.

Nach fast 20 Jahren in der Hauptstadt möchte er nun jedoch zurück zu seinen Wurzeln. „Ich finde Berlin nach wie vor klasse“, sagt er. „Aber der Ort, an dem ich leben und Politik machen möchte, das ist Hannover.“ Dazu passt auch das Themenfeld, mit dem der zweifache Vater bei der Regionspräsi­dentenwahl punkten will: fami­lien­freund-­liche Region Hannover. „Die Frage, wie wir eine Region werden, in der Familien gern leben, berührt so viele Bereiche. Dazu zählen der Ausbau von Kitaplätzen ebenso wie der öffentliche Nahverkehr, die Gesundheitsversorgung, die Beschäftigungsförderung und das Freizeitangebot“, sagt Krach.

Region als Vorbild

Dort hinein passt auch der Termin mit dem Ortsverein. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie das Café Safran durch die Corona­krise gekommen ist. Krach hört aufmerksam zu, stellt Fragen. Und er erzählt von seinem Stammlokal in Berlin, in dem seine vier und sieben Jahre alten Jungs ganz allein in die Küche marschieren, um sich ihre Pizza abzu­holen. „Stammlokale sind Treffpunkte für alle Generationen und wichtig für das Leben im Viertel oder im Dorf.“
Krach sieht die Aufgabe des Regionsprä­sidenten darin, die Bereiche bestmöglich zu verbinden und die Region zu einem Vorbild im ganzen Bundesgebiet zu machen. „Wir haben hier so viel Vorzeigbares, wir haben einen herausragenden Messestandort, großartige Schulen und Universitäten und mit der Medizinischen Hochschule eine exzellente Forschungseinrichtung, die weit über die Grenzen der Region hinaus leuchtet“, sagt Krach. Letztere fallen zwar formal in das Gebiet des Wissenschaftsministeriums, doch der SPD-Politiker sieht es dennoch als die Aufgabe des Regionspräsidenten an, sich auch dazu zu äußern. „Diese Einrichtungen sind immens wichtig für die Attraktivität der Region Hannover als Standort.“ Wo es eine gute Uni gebe, dorthin ziehe es Studenten. Und wenn es dort auch Karrieremöglichkeiten und eine gute Infrastruktur gebe, so zögen sie nicht weiter, sondern machten die Region zu ihrer Heimat.

Die Bau-Expertin: Christine Karasch

Christine Karasch ist auf Tour durch die Region. An diesem Freitagnach­mittag hat sie ihren kupferfarbenen VW Cross-­Polo vor der Feuerwache in Lehrte geparkt. Der CDU-Stadtverband hat die Kandidatin der Christdemokraten für die Regionspräsidentschaft eingeladen, sich anzuschauen, wo in Lehrte politisch der Schuh drückt. Dabei geht es viel um Karaschs Lieblingsthema, das Bauen. Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt sie sich beruf­lich mit Hochbau, Tiefbau, Raumplanung und Bauordnung. „Das hat mich schon interessiert, als ich noch an der Universität in Marburg Jura studiert habe“, erzählt sie.

Von Hessen nach NRW

Während andere Karriere als Staatsanwalt machen wollten oder von der eigenen Kanzlei träumten, war Christine Karasch auf der Suche nach einer Nische. „Ich war Ende der Neunziger fertig mit meinem Refe­rendariat, und damals gab es mehr Juris­ten als Stellen.“ Als die gebürtige Kasse­lerin ihre erste feste Stelle in Wuppertal fand, war sie erst nicht so recht begeistert. „Aus den Weiten Nordhessens in das dichtbebaute NRW – das war erstmal nicht so einfach,“ erinnert sie sich. Nach ersten Erfah­rungen als juristische Referentin der dortigen CDU-Ratsfraktion wechselte sie ins Rechts­amt der Stadt Wuppertal mit der Zuständigkeit für das private und das öffent­liche Baurecht. Hier betreute sie unter anderem den Bau einer modernen Feuerwache – und kann mit diesem Wissen nun punkten.

Es entwickelt sich zwischen ihr und den Vertretern des Stadtverbands ein Gespräch über die Tücken der Entsorgung von Gefahrstoffen, die stets knappe Finanzierung und die knifflige Frage, wie man Umkleiden in der Wache gestalten muss. „Früher haben sich die Kameraden oft hinter ihren Fahrzeugen umgezogen. Das ist längst nicht mehr erlaubt, aber viele alte Wachen bieten gar keine richtigen Umkleidemöglichkeiten“, erklärt Karasch.

Neue Heimat Hannover

Eigentlich sollte es in NRW nur ein kurzes Gastspiel sein, doch aus dem Plan, ein Jahr zu bleiben, wurden elf Jahre. In dieser Zeit war sie unter anderem Justiziarin bei der Stadt Wuppertal, Beigeordnete für Schule, Soziales und Ordnung in Lüding­hausen und technische Beigeordnete der Stadt Rheine. 2018 entdeckte sie in der Süddeutschen Zeitung eine Stellenanzeige der Region Hannover: Dezernent/in für Umwelt, Planung und Bauen gesucht. „Mein Mann arbeitete damals in Kassel. Die Aussicht auf ein Ende der Fernbeziehung und eine neue reizvolle Aufgabe haben mich schließlich dazu bewogen, meinen Hut in den Ring zu werfen.“

Karasch, die seit über 20 Jahren CDU-Mitglied ist, überzeugte im Bewerbungsgespräch, bekam die Stelle und zog mit ihrem Mann und den beiden mittlerweile erwachsenen Söhnen in die Nähe von Gehrden. Als Kandidatin für die Regionspräsidentschaft betont sie die Relevanz einer guten Infrastruktur. Vor allem die Mobilität und der Ausbau des digitalen Standorts Region Hannover müssten besser werden. „Damit die Region attraktiv für die Wirtschaft und die Bürger bleibt, müssen wir in die Digitalisierung investieren“, sagt Karasch. Zudem gelte es, den öffentlichen Nahverkehr zu verbessern. „Ich bin kein Fan von monetären Wahlversprechen und Geldgeschenken“, sagt sie. „aber die Bürger haben einen Anspruch darauf, dass die Infrastruktur mit den modernen Anforderungen mithalten kann.“

Die Nachhaltige: Frauke Patzke

Frauke Patzke erlebt eine Premiere. Zum ersten Mal seit Beginn der Coronakrise öffnet der beliebte Club „Béi Chéz Heinz“ in Linden wieder für eine Veranstaltung. Es ist zwar nur eine Podiumsdiskussion, aber es ist ein Anfang. Patzke, die bei der Wahl zum Regionspräsidenten für die Grünen kandidiert, hat Künstlerinnen und Künstler eingeladen, um mit ihnen über deren Situation seit dem ersten Lockdowns zu sprechen.

Kultur ist systemrelevant

Zum Auftakt stellt der Poetry Slammer Tobias Kunze ein Werk vor, das er während des Lockdowns geschrieben hat. Es geht um Konsum, deutsche Kleinlichkeit und die Tücken des Kapitalismus. Applaus, auch von Frauke Patzke. „Ich bin kultur­interessiert, nicht nur von Berufs wegen, und war bestürzt, wie man mit der Kultur in der Krise umgegangen ist“, sagt Patzke. „Kultur ist aus meiner Sicht mehr als nur ein Zeitvertreib, es ist Nahrung für die Seele und systemrelevant.“

Beruflich zur Kultur ist die in Aurich aufgewachsene 50-Jährige erst spät gekommen. Nach dem Realschulabschluss 1987 absolvierte sie eine Ausbildung zur Sozial­versicherungsfachangestellten bei der Hannoverschen landwirtschaftlichen Krankenkasse (HlKK) und arbeitete dort 15 Jahre. Als sich die Struktur der Kasse veränderte, war Frauke Patzke kurz vor ihrem 30. Geburtstag. „Da habe ich mir die Sinnfrage gestellt“, sagt sie. Sie hatte die gläserne Decke in ihrer Laufbahn erreicht. „Ich wusste, wenn ich beruflich weiterkommen will, dann musste ich mich noch einmal neu orientieren.“

Und so erfüllte sie sich einen Traum und studierte in Hannover Jura. „Im gehobenen Dienst ist man nur ausführendes Organ. Ich wollte die Werkzeuge vermittelt bekommen, um Verwaltung aktiv zu gestalten.“ Nach Stationen als Anwältin für Sozialrecht und wissenschaftlicher Mitarbeiterin an der Leibniz-Universität kam sie 2015 zum Nieder­sächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, in dem sie heute das Referat „Justiziariat, Vergabestelle und Innerer Dienst“ leitet.

Doch Frauke Patzke interessiert sich nicht nur für Kultur, sondern auch für Umwelt und Klimaschutz. „Von meinem Elternhaus habe ich den Respekt und die Liebe zur Natur mitbekommen“, sagt die Grünen-Politikerin, die mit ihrem Mann in Hemmingen lebt. Aus ihrer Sicht müsse man das CO2-Budget, was die Menschheit noch habe, vernünftig einteilen. „Wir dürfen nicht auf Kosten künftiger Generationen leben. Ich möchte, dass auch meine Nichten und mein Neffe noch die Freiheit haben, zum Beispiel in den Urlaub reisen zu können.“ Deshalb fährt sie, wann immer es geht, mit dem Fahrrad. „Heute bin ich dabei viermal nass geworden. Aber meist macht es einfach nur Spaß. Und klimaneutrale Mobilität muss Spaß machen – sonst werden wir die Verkehrswende nicht schaffen.“

Region erlebbar machen

Sollte sie Regionspräsidentin werden, dann will sie nicht nur die Jugend und die Wirtschaft fit für die Zukunft, sondern die Region auch präsenter machen. „Die Region wird selbst von Hannoveranern oft nur als politisches Gebilde wahrgenommen. Ich möchte, dass sie mehr ist als eine Verwaltung, und dass sich die Menschen mit ihr identifizieren können.“ Die Region müsse zur Vertreterin der Interessen ihrer Bürger werden. „Hier leben 1,2 Millionen Menschen. Das ist ein Potenzial, das man auch gegenüber der Landespolitik noch viel besser nutzen kann. Die Menschen der Region sollten sich als starke Gemeinschaft verstehen – und verstanden werden.“

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