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Report
13. September 2018

AGV Report 1/2018

 

Hannoversche Rathaus-Politik - oder: Die Umkehr der Wichtigkeiten

Liebe Leserinnen und Leser,

es ist noch gar nicht solange her, da galt Hannover Politikinsidern als Inkubator für bundespolitische Schwergewichte. Mit Gerhard Schröder brachte die niedersächsische Landeshauptstadt einen Bundeskanzler hervor und immerhin zwei Bundespräsidenten – der eine, Christian Wulff, zwar nicht sonderlich lange, dafür der andere, Frank-Walter Steinmeier, hoch angesehen und aktuell noch immer im Amt. Und ob Ursula von der Leyen, Sigmar Gabriel, Philipp Rösler oder Jürgen Trittin – eine Vielzahl von aktuellen und ehemaligen bundespolitischen Größen nahmen von Hannover aus Anlauf, um in Berlin politisch Karriere zu machen – und sind teilweise immer noch mit Ambitionen zu noch Höherem unterwegs.

Dies soll jetzt kein wehmütiges Hohelied auf vergangene Zeiten werden, es stimmt aber mehr als nachdenklich, dass Niedersachsens Landeshauptstadt mittlerweile seit Herbst 2017 bundespolitisch nur noch mit einer Rathausaffäre auf sich aufmerksam macht, deren Folgen die politische Agenda bestimmen und sie dabei zu lähmen scheinen.

Irgendetwas läuft hier ganz gehörig schief. Es ist ein Trauerspiel, dass die Rathausführung aufgrund unklarer Zuständigkeiten in Folge der Demission eines Harald Härke als Personal- nicht aber auch als Kulturdezernent derzeit offenbar nicht ansatzweise in der Lage ist, ein geordnetes Verfahren für eine Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2025 auf den Weg zu bringen.

Neben der Anstellung des 100.000-Euro-Mannes Oeds Westerhof und ein wenig Geplänkel um die Erstellung des „Bid Books“ ruht der See beunruhigend still – und dies schon seit Monaten, obwohl für eine Bewerbung mit der hannoverschen Stadtverwaltung ein riesiger Apparat zur Verfügung stünde. Nur einmal so zum Vergleich: Die IdeenExpo, mittlerweile Europas größtes und erfolgreichstes Jugendevent für Naturwissenschaften und Technik, wurde von einem kleinen Team von nicht einmal zehn Leuten 2007 innerhalb von neun Monaten aus dem Boden gestampft. Und selbst das ungleich kleinere, „unbeugsame“ Hildesheim ist auf bestem Wege, Hannover mit der eigenen Bewerbung um den für den Standort enorm Gewinn bringenden Titel der Kulturhauptstadt zu deklassieren.

Zu eng war in den letzten Jahren auch das Verhältnis zwischen Personalrat und Stadtspitze. Anders ist die Empörung nicht zu erklären, die Interims-Personaldezernentin Rita Maria Rzyski auslöste, indem sie und Finanzdezernent Axel von der Ohe – übrigens absolut zu Recht! – der Mitarbeitervertretung den Wunsch nach 1.000 neuen Stellen für die Stadtverwaltung verwehrte. Das hätte bei aktuell rund 12.000 Stadtbeschäftigten mal so eben einen Stellenaufwuchs von knapp 10 Prozent bedeutet. Angesichts von 720 bei der Stadt aktuell unbesetzten Stellen mutet diese Forderung ohnehin schon reichlich skurril an. Die Hannoversche Allgemeine erklärte das Dilemma jüngst mit der schon „legendären Verwobenheit zwischen der SPD, der Gewerkschaft verdi und der Stadt“. Ganz nebenbei bemerkt zeigte sich diese Nähe in den letzten Jahren auch, wenn es um die Sonntagsöffnung in Stadt und Region ging, von der auch zahlreiche AGV-Unternehmen betroffen sind. Hier drängt sich der Eindruck einer systemimmanenten Gewerkschaftshörigkeit der Stadtpolitik geradezu auf.

Wer übrigens meint, dass nun die Stunde der Opposition geschlagen haben müsste, liegt leider auch gehörig daneben. Die Stadt-FDP fällt in ihrer neuen Rolle als Quasi-Koalitionspartner von rotgrün ohnehin aus. Und der hiesigen CDU fällt nicht mehr ein, als sich auf ein schon geradezu peinliches Spiel von weitergeschobenen, „zufällig“ gefundenen und liegengelassenen Akten einzulassen, um, wenn möglich, auch Ex-OB und mittlerweile Ministerpräsident Stephan Weil noch irgendwie in die Affäre hinein zuziehen – geht’s noch?

Um es auf den Punkt zu bringen: Was wir hier erleben, ist eine Posse, die ihresgleichen sucht. Es ist die Umkehr der Wichtigkeiten. Dies alles ist einer Landeshauptstadt unwürdig. Deshalb kann man den politisch Verantwortlichen in Hannover nur zurufen, sie sollten sich endlich zusammenraufen und mehr Professionalität an den Tag legen.

Zu wichtige Entscheidungen liegen an, als dass diese Stadt sich weiter nur mit sich selbst beschäftigen darf. In einer Zeit, in der unsere Unternehmen immer größere Ressourcen auf Employer Branding verwenden müssen, versagt daran gemessen die Imagepolitik der Landeshauptstadt Hannover auf ganzer Linie.

Ihr
Dr. Volker Schmidt
Hauptgeschäftsführer AGV Hannover

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